Schopenhauer: Unterschied zwischen den Versionen

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In dieser Klasse gibt es empirische und logische Wahrheit und es herrscht der Satz vom zureichenden Grunde des Erkennens. Das mit Hülfe anschaulicher Vorstellungen operirende Denken ist der eigentliche Kern aller Erkenntniß, indem es zurückgeht auf die Urquelle, auf die Grundlage aller Begriffe
 
In dieser Klasse gibt es empirische und logische Wahrheit und es herrscht der Satz vom zureichenden Grunde des Erkennens. Das mit Hülfe anschaulicher Vorstellungen operirende Denken ist der eigentliche Kern aller Erkenntniß, indem es zurückgeht auf die Urquelle, auf die Grundlage aller Begriffe
  
§ 29. Satz vom zureichenden Grunde des Erkennens.
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===  § 29. Satz vom zureichenden Grunde des Erkennens. === 
  
 
Das Denken besteht nicht nur in der Gegenwart abstrakter Begriffe, sondern im Verbinden oder Trennen unter Restriktionen und Modifikationen, welche die Logik, in der Lehre von den Urtheilen, angiebt. Ein solches deutlich gedachtes und ausgesprochenes Begriffsverhältniß ist ein Urtheil. Im Bezug auf das Urteil macht sich der Satz vom zureichenden Grunde erneut gelten, nämlich als Satz vom Grunde des Erkennens. Als solcher besagt er, daß wenn ein '''''Urtheil eine Erkenntniß ausdrücken soll''''', es einen '''''zureichenden Grund haben muß''''': wegen dieser Eigenschaft erhält es sodann das '''''Prädikat wahr'''''. Die Wahrheit ist also die Beziehung eines Unheils auf etwas von ihm Verschiedenes, das sein Grund genannt wird, wobei dieser eine Varietät der Arten zuläßt. Da es jedoch immer etwas ist, darauf das Urtheil sich stützt, oder beruht; so ist der deutsche Name Grund passend gewählt.  
 
Das Denken besteht nicht nur in der Gegenwart abstrakter Begriffe, sondern im Verbinden oder Trennen unter Restriktionen und Modifikationen, welche die Logik, in der Lehre von den Urtheilen, angiebt. Ein solches deutlich gedachtes und ausgesprochenes Begriffsverhältniß ist ein Urtheil. Im Bezug auf das Urteil macht sich der Satz vom zureichenden Grunde erneut gelten, nämlich als Satz vom Grunde des Erkennens. Als solcher besagt er, daß wenn ein '''''Urtheil eine Erkenntniß ausdrücken soll''''', es einen '''''zureichenden Grund haben muß''''': wegen dieser Eigenschaft erhält es sodann das '''''Prädikat wahr'''''. Die Wahrheit ist also die Beziehung eines Unheils auf etwas von ihm Verschiedenes, das sein Grund genannt wird, wobei dieser eine Varietät der Arten zuläßt. Da es jedoch immer etwas ist, darauf das Urtheil sich stützt, oder beruht; so ist der deutsche Name Grund passend gewählt.  

Version vom 26. Dezember 2022, 18:16 Uhr


Schopenhauer sah sich als vollender Kants und baute seine eigene Philosophie auf Kant auf. Die erste Schrift, Schopenhauers Dissertation, trägt den Titel "Über die 4-fache Wurzel des zureichenden Grundes". In den weiteren Schriften wie dem Hauptwerk "Die Welt als Wille und Vorstellung" setzt Schopenhauer bereits Kenntnis über die Dissertation, sowie über Kant voraus, da seine Schrift sonst unverständlich bliebe.

Über die vierfache Wurzel des zureichenden Grundes

Einleitend beginnt Schopenhauer im § 1. Die Methode das Gesetz der Homogeneität [„Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem“ (deutsch: „Wesenheiten dürfen nicht über das Notwendige hinaus vermehrt werden. “)] und der Specifikation [ entium varietates non temere esse minuendas (deutsch: „dass wesen nicht über die notwendigkeit hinaus vermehrt werden dürfen“) ] zu definieren und beruft sich auf Kant, der beide Gesetze "als transscendentale, Übereinstimmung der Dinge mit sich a priori postulirende Grundsätze der Vernunft seien".

Im § 2. Ihre Anwendung in gegenwärtigem Fall führt Schopenhauer an, dass das letztere der beiden Gesetze (das der Homogenität) zu wenig auf den Satz vom zureichenden Grund angewendet sei. Diesen Satz definiert er im § 5. Der Satz selbst und bezieht sich auf die Definition von Wolf:

"Nihil est sine ratione cur potius sit, quam non sit. Nichts ist ohne Grund warum es sei."

Schopenhauer möchte zeigen, dass der Satz selbst "gemeinschaftlicher Ausdruck mehrerer a priori gegebener Erkenntnisse" ist.

Schopenhauer erwähnt in seiner Dissertation verschiedene Ansätze von verschiedenen Philosophen:

§ 7. Cartesius

§ 8. Spinoza

§ 9. Leibnitz

§ 10 Wolf

§ 11 Philosophen zwischen Wolf und Kant

§ 12 Hume

§ 13 Kant und seine Schule

Hierbei bessert er erhebliche Fehler frühere Philosophen aus. Besonders wichtig ist ihm eine exakte Definition und Verwendung der Begriffe, so dass seine Leser klar den Unterschied zwischen Grund und Ursache kennen und keinen "Missbrauch mit abstrakten Begriffen" betreiben.

Die 4 Klassen des zureichenden Grundes

Schopenhauer führt den zureichenden Grund auf 4 Klassen zurück:

Über die erste Klasse der Objekte für das Subjekt und die in ihr herrschende Gestaltung des Satzes vom zureichenden Grunde

Vorstellungen dieser Klasse sind die anschaulichen, vollständigen, empirischen Vorstellungen.

Sie sind anschauliche, im Gegensatz der bloß gedachten [=abstrakten Begriffe], vollständige [=beinhalten nach Kants, nicht bloß das Formale, sondern auch das Materiale der Erscheinung] und empirisch [da sie nicht aus bloßer Gedankenverknüpfung hervorgehn, sondern in einer Anregung der Empfindung unsers sensitiven Leibes ihren Ursprung haben, auf welchen sie, zur Beglaubigung ihrer Realität, stets zurückweisen und gemäß den Gesetzen des Raumes, der Zeit und der Kausalität im Verein, zu demjenigen end- und anfangslosen Komplex verknüpft sind, der unsere empirische Realität ausmacht, da sie aber nach Kant die transscendentale Idealität nicht aufheben, kommen sie nur als Vorstellungen inbetracht]

Formen dieser Vorstellungen sind die des innern und äußern Sinnes, Zeit und Raum

In dieser Klasse herrscht der Satz vom zureichenden Grunde des Werdens.

Satz vom zureichenden Grunde des Werdens

In dieser Klasse trifft das Subjekt auf das Gesetz der Kausalität, Schopenhauer nennt ihn "zureichenden Grunde des Werdens, principium rationis sufficientis fiendi". Wenn in dieser Klasse der Vorstellungen ein neuer Zustand eines oder mehrere Objektes eintritt, so muss ihm ein anderer folgen, und zwar so oft, als dieser vorhanden ist. Dieses Folgen heißt Erfolgen und der erste Zustand ist die Ursache, der zweite die Wirkung.

Wenn sich z.B. ein Körper entzündet; so muß diesem Zustand des Brennens vorhergegangen seyn ein Zustand 1) der Verwandtschaft zum Oxygen, 2) der Berührung mit dem Oxygen, 3) einer bestimmten Temperatur. Da, sobald dieser Zustand vorhanden war, die Entzündung unmittelbar erfolgen mußte, diese aber erst jetzt erfolgt ist; so kann auch jener Zustand nicht immer dagewesen, sondern muß erst jetzt eingetreten seyn. Dieser Eintritt heißt eine Veränderung. Daher steht das Gesetz der Kausalität in ausschließlicher Beziehung auf Veränderungen und hat es stets nur mit diesen zu thun. Jede Wirkung ist, bei ihrem Eintritt, eine Veränderung und giebt, eben weil sie nicht schon früher eingetreten, unfehlbare Anweisung auf eine andere, ihr vorhergegangene Veränderung, welche, in Beziehung auf sie, Ursache, in Beziehung auf eine dritte, ihr selbst wieder nothwendig vorhergegangene Veränderung aber Wirkung heißt. Dies ist die Kette der Kausalität: sie ist notwendig anfangslos.

Die verschiedenen Bestimmungen, die dazu führen, dass eine Wirkung eintritt (zB das Brennen des Holzes) können Bedingungen genannt werden (in dem Beispiel: Verwandtschaft zum Oxygen des Materials, Berührung mit dem Oxygen, bestimmte Temperatur). Die Ursache kann in Bedingungen zerlegt werden, alle Bedingungen sind die Ursache, die Zeitfolge ist hierbei egal. Falsch ist es, wenn man nicht die Zustände, sondern Objekte als Ursache definiert. (Hat man ein Brennglas vor einem Stück Holz und die Wolken verhindern, dass die Sonnenstrahlen über das Brennglas auf das Holz strahlen und der Wind zieht die Wolken weg, so ist die Ursache für den Zustand des Brennens des Holzes nicht das Brennglas, sondern die Veränderung der Wolkenposition.)

Über die zweite Klasse der Objekte für das Subjekt und die in ihr herrschende Gestaltung des Satzes vom zureichenden Grunde

Schopenhauer führt an, dass der Unterschied zwischen Mensch und Tier der sei, dass der Mensch eine Klasse von Vorstellungen hat, die kein Tier besitzt. Es sind die Begriffe. Begriffe sind abstrakten Vorstellungen; im Gegensatz der anschaulichen, als welche diese jedoch abgezogen sind. Durch das Hinzufügen der abstrakte Vorstellungen sei die Motivation den Menschen verändert, wobei die Notwendigkeit der Handlungen bei Menschen ebenso notwendig bleibt wie bei den Tieren. Die Art der Motivation, sofern sie hier aus Gedanken besteht, ist dahingehend verändert, dass sie die Wahlentscheidung (d.i. den bewußten Konflikt der Motive) ermöglicht und so Pläne, Handlungen mit Vorsatz, Maximen, Überlegungen u.s.w ermöglicht, im Gegensatz zu den reinen Impulsen ohne diese Begriffe. Begriffe kann man laut Schopenhauer auch Vorstellungen aus Vorstellungen definieren, wobei bei diesen Vorstellungen der Vorstellungen durch die Abstraktion die Anschaulichkeit eingebüßt würde:

Denn bei ihrer Bildung zerlegt das Abstraktionsvermögen die, im vorigen Kapitel behandelten, vollständigen, also anschaulichen Vorstellungen in ihre Bestandtheile, um diese abgesondert, jeden für sich, denken zu können als die verschiedenen Eigenschaften, oder Beziehungen, der Dinge. Bei diesem Processe nun aber büßen die Vorstellungen nothwendig die Anschaulichkeit ein, wie Wasser, wenn in seine Bestandtheile zerlegt, die Flüssigkeit und Sichtbarkeit. Denn jede also ausgesonderte (abstrahirte) Eigenschaft läßt sich für sich allein wohl denken, jedoch darum nicht für sich allein auch anschauen. Die Bildung eines Begriffs geschieht überhaupt dadurch, daß von dem anschaulich Gegebenen Vieles fallen gelassen wird, um dann das Übrige für sich allein denken zu können: derselbe ist also ein Wenigerdenken, als angeschaut wird...

Demnach ist der Begriff eines jeden genus der Begriff einer jeden darunter begriffenen Species, nach Abzug alles Dessen, was nicht allen Speciebus zukommt. Nun kann aber jeder mögliche Begriff als ein genus gedacht werden: daher ist er stets ein Allgemeines und als solches ein nicht Anschauliches. Darum auch hat er eine Sphäre, als welche der Inbegriff alles durch ihn Denkbaren ist. Je höher man nun in der Abstraktion aufsteigt, desto mehr läßt man fallen, also desto weniger denkt man noch. Die höchsten, d.i. die allgemeinsten Begriffe sind die ausgeleertesten und ärmsten, zuletzt nur noch leichte Hülsen, wie z.B. Seyn, Wesen, Ding, Werden u. dgl. m.

§ 27. Nutzen der Begriffe.

Die Vernunft (oder Denkvermögen) hat als Grundwesen das Abstraktionsvermögen oder die Fähigkeit Begriffe zu bilden. Da Begriffe weniger enthalten als die Vorstellungen, aus denen sie abstrahiert wurden, sind diese leichter zu handhaben. Sie enthalten von den Vorstellungen nur dasjenige, das man braucht. Das Befassen mit den Begriffen nennt Schopenhauer Denken oder auch Reflexion. Aus diesem Denken, aus dieser Reflexion, gewinnt der Mensch die Besonnenheit, die dem Tier abgeht.

§ 28. Repräsentanten der Begriffe. Die Urtheilskraft.

Der Begriff unterscheidet sich von dem Phantasma, welches eine anschauliche und vollständige, also einzelne, jedoch nicht unmittelbar durch Eindruck auf die Sinne hervorgerufen, daher nicht zu den Komplex der Erfahrungen zugehörige Vorstellung ist. Das Phantasma ist auch dann vom Begriff zu unterscheiden, wenn man als Repräsentant eines Begriffs gebraucht wird. Das ist der Fall, wenn man die anschauliche Vorstellung, aus welcher der Begriff entsprungen ist, selbst (diesem entsprechend) haben will. Dies ist nicht möglich. Bspw wenn man den Hund überhaupt, Farbe überhaupt, Triangel überhaupt, Zahl überhaupt haben will, den von diesen giebt es keine Vorstellung, kein diesen Begriffen entsprechendes Phantasma. Man ruft hier immer die Vorstellung irgend eines Hundes hervor, der als Vorstellung durchaus stimmt der eine bestimmte größe, bestimmter Farbe usw usf haben muss, da der Begriff als Repräsentant er ist diese Eigenschaften nicht hat. Bei dem Gebrauch eines solchen Repräsendanten ist man sich aber bewusst, dass dieser vollkommen willkürlich bestimmt ist. Alles Denken bedarf entweder Begriffe oder Phantasiebilder, ohne eines von beiden hat es keinen Anhalt. Beide sind nicht gleichzeitig notwendig, können sich aber unterstützen.

Das abstrakte Denken (mit den Worten) ist entweder rein logisch, wo es gänzlich auf seinem Gebiet bleibt, oder aber es streift die Gränze der anschaulichen Vorstellungen, um das empirisch Gegebene und anschaulich Erfaßte mit deutlich gedachten abstrakten Begriffen in Verbindung zu bringen, um es so ganz zu besitzen. Dabei sucht es entweder 'zum gegebenen anschaulichen Fall' den 'Begriff', oder die 'Regel', unter die er gehört, 'oder den Fall, der sie belegt'. In dieser Eigenschaft ist es Thätigkeit der Urtheilskraft, (nach Kant) im erstern Falle reflektirende, im andern subsumirende. Die Urtheilskraft ist demnach die Vermittlerin zwischen der anschauenden und der abstrakten Erkenntnißart, oder zwischen Verstand und Vernunft.

In dieser Klasse gibt es empirische und logische Wahrheit und es herrscht der Satz vom zureichenden Grunde des Erkennens. Das mit Hülfe anschaulicher Vorstellungen operirende Denken ist der eigentliche Kern aller Erkenntniß, indem es zurückgeht auf die Urquelle, auf die Grundlage aller Begriffe

§ 29. Satz vom zureichenden Grunde des Erkennens.

Das Denken besteht nicht nur in der Gegenwart abstrakter Begriffe, sondern im Verbinden oder Trennen unter Restriktionen und Modifikationen, welche die Logik, in der Lehre von den Urtheilen, angiebt. Ein solches deutlich gedachtes und ausgesprochenes Begriffsverhältniß ist ein Urtheil. Im Bezug auf das Urteil macht sich der Satz vom zureichenden Grunde erneut gelten, nämlich als Satz vom Grunde des Erkennens. Als solcher besagt er, daß wenn ein Urtheil eine Erkenntniß ausdrücken soll, es einen zureichenden Grund haben muß: wegen dieser Eigenschaft erhält es sodann das Prädikat wahr. Die Wahrheit ist also die Beziehung eines Unheils auf etwas von ihm Verschiedenes, das sein Grund genannt wird, wobei dieser eine Varietät der Arten zuläßt. Da es jedoch immer etwas ist, darauf das Urtheil sich stützt, oder beruht; so ist der deutsche Name Grund passend gewählt.

Diese sind:

Logische Wahrheiten

»Ein Triangel ist ein von drei Linien eingeschlossener Raum«, hat zum letzten Grunde den Satz der Identität »Kein Körper ist ohne Ausdehnung«, hat zum letzten Grunde den Satz vom Widerspruch »Jedes Urtheil ist entweder wahr, oder nicht wahr«, hat zum letzten Grunde den Satz vom ausgeschlossenen Dritten »Keiner kann etwas als wahr annehmen, ohne zu wissen warum«, hat zum letzten Grunde den Satz vom zureichenden Grunde des Erkennens

Empirische Wahrheiten

Transscendentale Wahrheit

Metalogische Wahrheit


Über die dritte Klasse der Objekte für das Subjekt und die in ihr herrschende Gestaltung des Satzes vom zureichenden Grunde

Über die vierte Klasse der Objekte für das Subjekt und die in ihr herrschende Gestaltung des Satzes vom zureichenden Grunde