Nietzsche
Nietzsche war ein klassischer Philosoph und wurde besonders durch Schopenhauer und Mainländer beeinflusst. Im Vergleich zu vielen anderen Philosophen wie Kant, Schopenhauer oder Mainländer baute Nietzsche seine Werke nicht geschlossen systematisch auf, sondern baute lange Gedankenketten innerhalb seiner Werke ein. Dass Nietzsche gar nicht systematisch schrieb, ist übrigens falsch, die Gedankenketten werden jedoch oft übersehen, was den falschen Schluss erzeugen kann, dass Nietzsche "gar nicht systematisch" schrieb, Popper schrieb z.B. einst, dass er Nietzsche sorgfältig gelesen habe, aber er las nichts heraus, so stand nichts drinnen, dies sagt aber nur aus, dass er aus Nietzsche nichts herausgelesen hatte, nicht dass bei Nietzsche nichts herauszulesen wäre. Nietzsche beeinflusste viele Philosophen, darunter Wittgenstein, der seine Sprachkritik weiterdachte und die Sprachanalyse in seinem Werk "Philosophische Untersuchungen" weiter ausführte, Heidegger führte den Seinsgedanken bei Nietzsche in seinem Werk "Sein und Zeit" ebenfalls genauer aus. Weitere Denker die von Nietzsche beeinflusst waren, war etwa Foucault, der den Willen zur Macht und den Willen zum Wissen aufgriff und die Frage aufwarf, ob denn der Wille zum Wissen ein Wille zur Macht sei. In der Geschichtsphilosophie wurde besonders Spengler von Nietzsche beeinflusst, sowohl in dem Grundgedanken der Untersuchung der Kulturen ("Von Goethe habe ich die Methode, von Nietzsche die Fragestellungen" Spengler, Untergang des Abendlandes) als auch im Sprachstil, oder Ernst Jünger, bei dem in den Werken ebenfalls eine Nietzsche ähnlicher Sprachstil vorzufinden ist. Neben den Philosophen beeinflusste Nietzsche auch die Psychologen, etwa Viktor E. Frankl. Zudem wurde Nietzsche als eigentlicher Begründer der Psychoanalyse beschrieben, da sich in Nietzsches Werken bereits alle Gedanken finden, die Freud später den Ruf er Begründung der Psychoanalyse einbrachten. Freud behauptete, dass er Nietzsche aufgrund großer inhaltlicher Überschneidungen nicht gelesen hätte.
Einleitende Worte zum Unterschied Nietzsche zu Schopenhauer
"Mir scheint, dass Schopenhauer eine sprachliche Klarheit und Präzision erreicht hat, die nicht mehr übertroffen werden kann (mehr noch als Kant!), man kann sich ihr nur annähern und im besten Falle auf dieselbe Stufe emporklettern (angemerkt sei, dass Schopenhauer allerdings auch die aphoristische Sprachkunst beherrschte, diese Synthese von sprachlicher Klarheit und aphoristischer Kunst, und zwar in der Form, dass die Präzision nicht unter der Kunst leidet, scheint mir bei ihm einmalig). Bei Nietzsche verhält es sich mit der Akklimatisierung durch Aphorismen ähnlich, Nietzsche zu übertreffen scheint kaum möglich, man kann sich auch ihm nur annähern, wobei Nietzsche die Akklimatisierung teilweise der logischen Klarheit geopfert hat (haben hat müssen), diese aber dafür bis zur Perfektion ausreizte, selbiges gilt für die Gedankenketten, die bei Schopenhauer Satz für Satz, Wort für Wort, aufgebaut sind, während sie bei Nietzsche über mehrere Bücher hinweg, in Aphorismen und Andeutungen eingehüllt verschüttet liegen, zuweilen etwas eingestaubt und eingegraben (man muss sie erst entstauben und ausgraben). Versucht man Schopenhauer wie Nietzsche zu lesen, oder auf dem Kopf gedreht Nietzsche wie Schopenhauer zu lesen, so wird man nur einen Bruchteil der Werke sehen und keinen Zugang zu dem eigentlichen Schatz freilegen. Man muss beide erste lesen lernen. Bei Schopenhauer ist es einfach, wenn man über ausreichend Motivation und logisches Fassungsvermögen verfügt, bei Nietzsche, wenn man als selbstständiger Denker etwas mit gedanklicher Akklimatisierung anfangen kann und über eine hohe psychologische Auffassungsgabe verfügt. Man könnte die Unterschiede so auffassen, dass Schopenhauer (wie Kant) Philosophen der Höhe sind, die auf dem Berg der Logik bis auf den Gipfel kletterten, wohingegen Nietzsche ein Philosoph der Tiefe ist, und bis in den Erdkern gräbt." Eigene einleitene Worte zu Nietzsche und Schopenhauer
Nietzsches Sprachstil
Nietzsches Sprachstil (auch "Nietzsche Sound" genannt) zeichnet sich durch eine akklimatisierende Komponente aus, wobei der Leser nicht nur mit Argumenten überzeugt werden soll, sondern zum eigenen Nachdenken angeregt wird. Besonders deutlich wird der typische Nietzsche Stil in seinem Hauptwerk "Also sprach Zarathustra".
„Den Stil verbessern - das heißt den Gedanken verbessern, und gar nichts weiter! - Wer dies nicht sofort zugibt, ist auch nie davon zu überzeugen!“ Nietzsche, Menschliches Allzumenschliches Den Sprachstil Kants kritisierte er und bezeichnete Kant polemisch als "Begriffs-Krüppel". (Götzen-Dämmerung) Aufgrund des außergewöhnlichen Sprachstils gehört Nietzsche den am häufigste zitierten Philosophen. Viele bekannte Aporismen wie "Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie." (Götzen-Dämmerung) oder "Die Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden jähen Bach des Lebens." (Weisheit für Übermorgen) gehen auf Nietzsche zurück.
Besonders deutlich wird der Sprachstil in Nietzsches Hauptwerk "Also sprach Zarathustra", für welche der Leser die richtigen Ohren haben müsste, um ihn zu verstehen.
"Wenn diese Schrift irgend jemandem unverständlich ist und schlecht zu Ohren geht, so liegt die Schuld, wie mich dünkt, nicht notwendig an mir. Sie ist deutlich genug, vorausgesetzt, was ich voraussetze, daß man zuerst meine früheren Schriften gelesen und einige Mühe dabei nicht gespart hat: diese sind in der Tat nicht leicht zugänglich. Was zum Beispiel meinen »Zarathustra« anbetrifft, so lasse ich niemanden als dessen Kenner gelten, den nicht jedes seiner Worte irgendwann einmal tief verwundet und irgendwann einmal tief entzückt hat: erst dann nämlich darf er des Vorrechts genießen, an dem halkyonischen Element, aus dem jenes Werk geboren ist, an seiner sonnigen Helle, Ferne, Weite und Gewißheit ehrfürchtig Anteil zu haben. In andern Fällen macht die aphoristische Form Schwierigkeit: sie liegt darin, daß man diese Form heute nicht schwer genug nimmt. Ein Aphorismus, rechtschaffen geprägt und ausgegossen, ist damit, daß er abgelesen ist, noch nicht »entziffert«; vielmehr hat nun erst dessen Auslegung zu beginnen, zu der es einer Kunst der Auslegung bedarf." Zur Genealogie der Moral
Nietzsche erkannte, dass der Mensch nicht nur durch rationale Argumente überzeugt werden kann, sondern dass bestimmte Wahrheiten den meisten Menschen unzugänglich sind, da nur das Wissen akzeptiert wird, das für den Menschen nützlich ist. Um es mit Schopenhauer zu reden, wenn der Intellekt nur Werkzeug des Willens ist (Welt als Wille und Vorstellung) so wird er nur dasjenige an Wissen akzeptieren, das für ihn nützlich ist, wobei hierbei nur der Normale und der Begabte "betroffen" ist, das Genie erkennt mehr der objektiven Welt, da sein Intellekt "krankhaft gesteigert" ist (Welt als Wille und Vorstellung zum Genie). Aber auch das Genie hat Probleme bestimmte Wahrheiten zu akzeptieren. Heute könnte man sagen, dass Nietzsche mit einen Lesern in einen sokratischen Dialog geht (wenngleich er Sokrates scharf kritisierte). Der sokratische Dialog hat das Ziel bei den Gesprächspartner Verzerrungen im Denken aufzudecken und Widersprüche durch Hinterfragen aufzudecken. (Dorsch, Lexikon der Psychologie)
Während Schopenhauer und Kant eine maximale Sprachpräzision anstreben, versucht Nietzsche einen andern Weg zu gehen und durch maximale sprachliche Akklimatisierung und emotionale Aufwühlung des Lesers die alten Glaubensmuster zu zerstören Nietzsche wird gelegentlich attestiert, dass er gar kein "Hammer" in der Philosophie ist, sondern nur ein "Hämmerchen" das ist ganz und gar falsch, Nietzsche wollte sämtliche bisherigen zerschlagen um danach mit der intellektuellen Rechtschaffenheit endgültige Gewissheit zu erlangen. Dass dies aber selbst problematisch ist, wusste Nietzsche weshalb er auch den Wert der Wahrheit infrage stellte.
Nietzsches Wille zur Macht
Nietzsche wurde besonders durch Schopenhauers Willensmetaphysik beeinflusst und übernahm dessen Nihilismus. Durch Bekanntschaft mit Mainländers Hauptwerk brach Nietzsche jedoch mit Schopenhauer und baute eine Willensmetaphysik mit einem Willen der nach Macht greif auf, da dieser - wie Mainländer - Schopenhauer vorwarf, dass ein Wille zum Leben etwas wollen müsste, was er bereits hat, denn der Wille lebt ja bereits. (Der Wille zur Macht ist so übrigens nicht korrekt, dazu an anderer Stelle mehr). Der Wille ist wie bei Mainländer ein einzelner getrennter Wille und nicht mehr ein "ganzer" wie bei Schopenhauer. Nietzsche wird häufig attestiert, dass er den Willen zur Macht aufgrund negativer psychologischer Umstände postuliert (er möchte mehr Macht, jetzt interpretiert er diesen Wunsch in alles Leben hinein), was jedoch so nicht unbedingt widerlegt werden muss, es zeugt jedoch sehr stark davon, dass die Ableitung von Nietzsches Machtwillen gar nicht bekannt ist (da zumeist eine mangelnde philosophische Bildung vorliegt, was auch Philosophie-Professoren betreffen kann). Das Problem mit der nicht nachvollziehbaren Ableitung findet sich auch bei dem überwiegenden Großteil der Spengler Rezeptionen (ungeachtet dessen, dass Toynbee bedeutende Fehler Spengler bereinigte und auch Popper rein logisch gesehen einige korrekte Bereinigungen durchführte). Der Wille zur Macht findet sich bei Nietzsche erstmal in seinem Werk "Also sprach Zarathustra".
»Wille zur Wahrheit« heißt ihr's, ihr Weisesten, was euch treibt und brünstig macht? Wille zur Denkbarkeit alles Seienden: also heiße ich euren Willen! Alles Seiende wollt ihr erst denkbar machen: denn ihr zweifelt mit gutem Mißtrauen, ob es schon denkbar ist. Aber es soll sich euch fügen und biegen! So will's euer Wille. Glatt soll es werden und dem Geiste untertan, als sein Spiegel und Widerbild. Das ist euer ganzer Wille, ihr Weisesten, als ein Wille zur Macht ; und auch wenn ihr vom Guten und Bösen redet und von den Wertschätzungen. Schaffen wollt ihr noch die Welt, vor der ihr knien könnt: so ist es eure letzte Hoffnung und Trunkenheit. Die Unweisen freilich, das Volk – die sind gleich dem Flusse, auf dem ein Nachen weiter schwimmt: und im Nachen sitzen feierlich und vermummt die Wertschätzungen. Euren Willen und eure Werte setztet ihr auf den Fluß des Werdens; einen alten Willen zur Macht verrät mir, was vom Volke als gut und böse geglaubt wird. Ihr wart es, ihr Weisesten, die solche Gäste in diesen Nachen setzten und ihnen Prunk und stolze Namen gaben – ihr und euer herrschender Wille! Weiter trägt nun der Fluß euren Nachen: er muß ihn tragen. Wenig tut's, ob die gebrochene Welle schäumt und zornig dem Kiele widerspricht! Nicht der Fluß ist eure Gefahr und das Ende eures Guten und Bösen, ihr Weisesten: sondern jener Wille selber, der Wille zur Macht – der unerschöpfte zeugende Lebens-Wille." Also sprach Zarathustra
Nietzsche nimmt an, dass überall wo das Leben aufsteigt der Wille zur Macht herrscht (Antichrist) wohingegen überall wo das Leben untergeht der Wille zur Ohnmacht herrscht.
Mitleiden als Krankheit, Ausdruck schlechter Manieren und Stimulanz des Nihilismus
Nietzsche war ein großer Gegner der Mitleidsethik, wie wir sie bei Schopenhauer vorfanden. Während bei Schopenhauer das Mitleid der Kern der Tugend ist, indem der Wille erkennt, dass er durch Bejahung seines eigenen Willens zum Leben soweit geht, dass er den Willen zum Leben bei einem anderen verneint (was das Wesen des Egoismus bei Schopenhauer ist) behauptet Nietzsche, dass das Mitleid selbst eine Krankheit ist. Nietzsche wirft darüber hinaus den Mitleidigen vor, dass ihnen die Distanz abgehe: Ich werfe den Mitleidigen vor, daß ihnen die Scham, die Ehrfurcht, das Zartgefühl von Distanzen leicht abhanden kommt, daß Mitleiden im Handumdrehn nach Pöbel riecht und schlechten Manieren zum Verwechseln ähnlich sieht Ecce Homo. Insb da Nietzsche selbst schwer krank war, dürfte er die verächtliche Seite des Mitleides selbst erfahren und abgelehnt haben. Im Zarathustrismus fragt dieser ob den nicht das Mitleid das Kreuz wäre, auf dem derjenige genagelt wird, der die Menschen liebt. Mitleid steckt mit Leid an, es macht krank, es überrede zum nichts.
Der Übermensch als Sinn der Erde
Nietzsche hat erkannt, dass der Mensch vollständig determiniert ist und keinen freien Willen besitzen kann, dies ist schlicht logisch unmöglich und wurde von Schopenhauer zweifelsfrei bewiesen (etwa in seiner Preisschrift zur Willensfreiheit). Schopenhauer begründet im Grunde den modernen Nihilismus, den Mainländer vervollständigte. Nietzsche wagt sich aber an den Gedanken, dass der Mensch sich selbst überwinden könnte, wodurch er zu einem Übermensch werden würde, der Gedanke findet sich erstmals in seinem Hauptwerk:
"Seht, ich lehre euch den Übermenschen! Der Übermensch ist der Sinn der Erde. Euer Wille sage: der Übermensch sei der Sinn der Erde! Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu und glaubt Denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden!" .. "Ich will die Menschen den Sinn ihres Seins lehren: welcher ist der Übermensch, der Blitz aus der dunklen Wolke Mensch. Aber noch bin ich ihnen ferne, und mein Sinn redet nicht zu ihren Sinnen. Eine Mitte bin ich noch den Menschen zwischen einem Narren und einem Leichnam." Also sprach Zarathustra
Der Übermensch ist allerdings nichts so zu verstehen, dass die Menschen die Nietzsche lesen selber zum Übermensch werden können (das ist ein übles Missverständnis von Nietzschelesern, die ihn nicht sorgfälltig lesen), sondern so, dass der Übermensch irgendwann aus der Menschheit hervorgeht, der Mensch soll ein "schwerer Tropfen werden" aus den Wolken die den Übermensch verkündigen, Zarathustra soll ein solcher schwerer tropfen sein (im Nachass merkt Nietzsche an, dass derjenige, der dem Übermensch den Weg bereitet der höchste Mensch sei). Dieser Übermensch vertrifft eine Herrenmoral nach Nietzsche und kann selbst Werte schaffen. Wenngleich man zurecht den Gedanken hegen wird, dass Nietzsche sich durch die Kunstfigur des Zarathustra ausdrückt und eigene Erfahrungen schildet, so ist es unzulässig die Kunstfiguar als vollständige Identifikation mit Nietzsche zu deuten, Nietzsche weißt auch darauf hin, dass er nicht Zarathustra sei.
Apollinisch und Dionysisch
Das Begriffspaar wurde philosophisch zuerst von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling verwendet und von Nietzsche in dem Werk „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik" <ref>Nietzsche, Die Geburt der Tragödie , Hammer-Verlag, Leipzig 1878 [1872, 1874],,</ref> erstmals erwähnt. Bei dem Begriffspaar werden die Götter Apollon und Dionysos gegenübergestellt. Apollon verkörpert Klarheit und Ordnung und steht für eine rationale Welterfassung, Dionysos steht als Gott des Weines für die rauschhafte und sinnliche. Schelling beschreibt das dionysische als »göttliche Trunkenheit« und das apollinische als »leise Besonnenheit«. Im Namen Apollon wird analytisch Trennendes bewusst gemacht, während Dionysos das Vereinheitlichende sucht. Beide stehen für eine gegensätzliche Art der Weltanschauung oder des Lebensgefühls. Nietzsche selbst beschrieb sich in Ecce Homo als Jünger des Dionysos<ref>Nietzsche, Ecce Hommo, Vorwort 2,,</ref> . Spengler bezieht sich in seinem Hauptwerk "Der Untergang des Abendlandes" <ref>Oswald Spengler, Oswald Spengler: Der Untergang des Abendlandes – Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte'</ref> auf Nietzsche als er den Begriff dionysisch einführt und erwähnt, dass dieser Seit Nietzsche jedem bekannt sei. Spengler führt zudem noch mit Bezug auf Goethe den Begriff faustisch ein. Nietzsche führt das Dionysische im Nachlass als ein radikales Bejahen der Nothwendigkeit des Schaffens und Vernichtens an, dagegen das apollinische als Drang des vollkommenen Fü-sich-seins, zum Individuum, zur Freiheit unter dem Gesetz.
Mit dem Wort „dionysisch“ ist ausgedrückt: ein Drang zur Einheit, ein Hinausgreifen über Person, Alltag, Gesellschaft, Realität, als Abgrund des Vergessens, das leidenschaftlich-schmerzliche Überschwellen in dunklere vollere schwebendere Zustände; ein verzücktes Jasagen zum Gesammt-Charakter des Lebens, als dem in allem Wechsel Gleichen, Gleich-Mächtigen, Gleich-Seligen; die große pantheistische Mitfreudigkeit und Mitleidigkeit, welche auch die furchtbarsten und fragwürdigsten Eigenschaften des Lebens gutheißt und heiligt, aus einem ewigen Willen zur Zeugung, zur Fruchtbarkeit, zur Ewigkeit heraus: als Einheitsgefühl von der Nothwendigkeit des Schaffens und Vernichtens… Mit dem Wort apollinisch ist ausgedrückt: der Drang zum vollkommenen Für-sich-sein, zum typischen „Individuum“, zu Allem, was vereinfacht, heraushebt, stark, deutlich, unzweideutig, typisch macht: die Freiheit unter dem Gesetz.<ref>Nietzsche — Nachgelassene Fragmente Frühjahr 1888. [14] Herausgabe von Giorgio Colli und Mazzino Montinari </ref>
In den nachgelassenen Schriften geht Nietzsche ausführlich auf das appolinische und dionysische ein. <ref name=":0">Nietzsche, Nietzsche Source — Kritische Gesamtausgabe, Werke und Briefe (eKGWB), Nachgelassene Schriften , nietzschesource </ref> Er postuliert, dass dass der Mensch in 2 Zuständen das "Wonnegefühl des Daseins" erreicht, im Traum und im Rausch. Dies sei das unmittelbare Verständnis der Gestalt alle "Formen sprechen zu uns" es gibt nichts gleichgültiges und unnötiges. Bei dem höchsten Leben des Traumes haben wir nach Nietzsche noch die Empfindung ihres Scheins, nur wenn er abnimmt beginnt die phatologische Wirkung, bei der der Traum ernst wird und nicht mehr erquickt. Solange wir uns in der dionysischen Anschauung im Traum befinden wird nach Nietzsche auch das Ernste, Traurige, Trübe, Finstere wird mit derselben Lust angeschaut wie die angenehmen Bilder. jedoch müsse auch hier der "Schleier des Scheines in flatternder Bewegung sein" um die Grundformen der Wirklichkeit nicht ganz zu verhüllen. Der Traum ist also nach Nietzsche ein Spiel des Einzelnen mit der Wirklichkeit. Die bildende Kunst ist dagen ist nach Nietzsche ein Spiel mit dem Traum. Die Statue eines Mamorblocks ist ein Wirkliches, aber ein wirkliches einer Traumgestalt, sie seit die lebendige Person Gottes. "So lange noch die Statue als Phantasiebild vor den Augen des Künstlers schwebt, spielt er noch mit dem Wirklichen: wenn er dies Bild in den Marmor übersetzt, spielt er mit dem Traum." <ref name=":0" />
Intellektuelle Rechtschaffenheit und intelektuale Gewissen
Nietzsche beschreibt die intellektuelle Rechtschaffenheit als eine Eigenschaft, bei der der Denker nur nach der Wahrheit strebt und dieses Streben hart ist, gegen die akademischen Philosophen wendet er ein, dass diese Kants Fehler der "Hintertür für christliche Werte" aufgrund fehlender intellektueller Rechtschaffenheit nicht erkannt haben. Zum intellektuale Gewissen schrieb Nietzsche:
Das intellektuale Gewissen. – Ich mache immer wieder die gleiche Erfahrung und sträube mich ebenso immer von neuem gegen sie, ich will es nicht glauben, ob ich es gleich mit Händen greife: den allermeisten fehlt das intellektuale Gewissen; ja es wollte mir oft scheinen, als ob man mit der Forderung eines solchen in den volkreichsten Städten einsam wie in der Wüste sei. Es sieht dich jeder mit fremden Augen an und handhabt seine Waage weiter, dies gut, jenes böse nennend; es macht niemandem eine Schamröte, wenn du merken läßt, daß diese Gewichte nicht vollwichtig sind – es macht auch keine Empörung gegen dich: vielleicht lacht man über deinen Zweifel. Ich will sagen: die allermeisten finden es nicht verächtlich, dies oder jenes zu glauben und darnach zu leben, ohne sich vorher der letzten und sichersten Gründe für und wider bewußt worden zu sein und ohne sich auch nur die Mühe um solche Gründe hinterdrein zu geben – die begabtesten Männer und die edelsten Frauen gehören noch zu diesen »Allermeisten«. Was ist mir aber Gutherzigkeit, Feinheit und Genie, wenn der Mensch dieser Tugenden schlaffe Gefühle im Glauben und Urteilen bei sich duldet, wenn das Verlangen nach Gewißheit ihm nicht als die innerste Begierde und tiefste Not gilt – als das, was die höheren Menschen von den niederen scheidet! Ich fand bei gewissen Frommen einen Haß gegen die Vernunft vor und war ihnen gut dafür: so verriet sich doch wenigstens noch das böse intellektuale Gewissen! <ref>Nietzsche, Fröhliche Wissenschaft</ref>
Kritik am Willen zum System
Nietzsche kritisiert den Willen zum System und hält ihn für einen Mangel an intelektueller Rechtschaffenheit<ref>Nietzsche, Götzen-Dämmerung, Sprüche und Pfeile, 26</ref>. Diese Kritik richtet sich gegen Kant (der nach Nietzsche ein hinterlistiger Theologie sei und zudem dekadent), sowie gegen Schopenhauer (der dekadent sei) und gegen Mainländer (der wie Schopenhauer dekadent sei). Beim lesen von Nietzsche dürfte dem entsprechend scharfsinnigen Leser schnell klar werden, dass Nietzsche lange Gedankenketten in den Werken einbaut und somit ebenfalls eine bestimmte Art des Systems aufbaut, nicht wie Schopenhauer, bei dem jeder Satz eine tragende Säule des Systems sein muss (wie wir dies bei Kant ebenfalls sehen) sondern in einer Art und Weise, bei der Nietzsche sich auf Denker bezieht,die er nicht erwähnt und Vorwissen eigener Werke voraussetzt, das er nicht explizit erwähnt, zudem setzt er Vorraus, dass der Leser die Aporismen entsprechend korrekt entziffert hat bzw. dies kann. Der Eindruck der langen Gedankenketten lässt sich auch durch eine entsprechende Anmerkung im Nachlass bestätigen. Der Gedanke, dass der Wille zum System minderwertigen Denken führen kann, findet sich auch bei Wittgenstein in seinen philosophischen Untersuchungen. Hierbei schreibt Wittgenstein, dass er kein systematisches Werk schreiben konnte, da seine Gedanken erlahmten, wenn er sie gegen ihre natürliche Richtung zwingen wolle. <ref>Wittgenstein, philosophische Untersuchungen, Vorwort</ref>
Begriffe als Symbole und die Subjekt Objekt Trennung ist nichtssagend
Während Begriffe bei Schopenhauer abstrakte Eigenschaften sind, die der Mensch (als Subjekt) von den Dingen (als Objekt vorgestellt) abtrennt, nämlich die die er benötigt, ist für Nietzsche der Begriff ein Symbol und da beim Festhalten im Gedächtnis der Ton verklingt, sei im Begriff nur das Symbol der begleitenden Vorstellung gewahrt.<ref name=":0" /> Nietzsche erkennt zwar an, dass es kein Erkennen ohne dem Subjekt und dem Objekt gibt, aber diese Feststellung sei trivial, wir können von den Dingen nichts aussagen "weil wir den Standpunkt des Erkennenden d.h. des Messenden uns unter den Füßen weggezogen haben. Eine Qualität existiert für uns d.h. gemessen an uns. Ziehen wir das Maaß weg, was ist dann noch Qualität! Was die Dinge sind, ist aber nur zu beweisen durch ein daneben gestelltes messendes Subjekt. Ihre Eigenschaften an sich gehen uns nichts an, aber insofern sie auf uns wirken. Nun ist zu fragen: wie entstand ein solches messendes Wesen? Die Pflanze ist auch ein messendes Wesen." schreibt Nietzsche im Nachlass <ref>Nietzsche, Nachgelassene Fragmente Sommer 1872; 19[156] — Anfang 1873. nietzschesource</ref>
Kunst als Stimulanz zum Leben (l'art pour l'art)
Die Kunst ist nach Nietzsche das große Stimulanz zum Leben, er fragt in den Götzendämmerungen wie man sie als zwecklos, als sinnlos, als " l'art pour l'art" ( (französisch, wörtlich „die Kunst für die Kunst“, sinngemäß „die Kunst um der Kunst willen“) verstehen könne.<ref>Nietzsche, Götzendämmerung, Streifzüge eines Unzeitgemäßen, 24. L'art pour l'art Zeno</ref> Die Kunst sagt nach Nietzsche, dass es wert ist zu leben, wohingegen die Wissenschaft sagt, dass das Leben wert sei erkannt zu werden. Doch die Kunst fördere auch vieles Häßliche, Harte, Fragwürdige des Lebens zur Erscheinung. Während bei Schopenhauer die Kunst den Willen antagonistisch entgegenwirkt und hemmt, nimmt Nietzsche also eine gegenteilige Position ein. Bei Schopenhauer ist eine dem Willen reizende Komponente "verwerflich", dies ist etwa dann der Fall, wenn in einem Kunstwerk reizende Komponente eingearbeitet sind, wie etwa ein Apfel der den Appetit anregt. Nietzsche wirft Schopenhauer vor, dass seine Sicht durch Pessimisten-Optik und »bösen Blick« getrübt sei. Man müsse den Künstler selber befragen, was er mitteile, ist es nicht vielleicht ein siegreiche Zustand, den der tragische Künstler auswählt und gar verherrlicht, fragt Nietzsche. Vor der Tragödie feiere nach Nietzsche das kriegerische in uns seine Saturnalien (ein römisches Fest, das bis zur Wintersonnenwende dauerte). Der heroische Mensch preise mit der Tragödie sein Dasein.